Es liegt in der Natur der Sache, das sich antike Stätten gerne unterhalb der modernen Städten befinden und deshalb erst nach meterlangem Graben zu finden sind. Das man sie dann als interessierter Tourist dann auch nur in den Kellern der Stadt besichtigen kann, fiel mir aber erst in Wien so richtig auf.
Zunächst ein paar historische Fakten. Als die Römer im Jahre 15 v. Chr. ihre Grenzen an die Donau verlegten war die Gegend von Wien wohl nur eine Gegend wie viele anderen. Doch bald entstand im Schutze des Stromes ein kleines Legionslager, das zur Linken des ungleich größeren Legionslagers Carnuntum platziert wurde. Aus diesem Lager entstand später die römische Stadt Vindobona und noch später das allseits bekannte Wien mit seinen Kaisern, Walzerkönigen und zuckersüßen Prinzessinnen.
Es war an einem Sonntag Vormittag, als ich in Wien eintraf und mich auf die Suche nach den letzten römischen Überresten machte. Ich erwähne diesen Wochentag extra, den nur am Sonntag kann man alle römischen Spuren von Wien an einem Tag sehen. Das hat was mit den Öffnungszeiten dieser Objekte zu tun, auf die ich später noch eingehen möchte.
Als erstes fuhr ich mit der U-Bahn zum touristischen Mittelpunkt von Wien, dem Stephansdom. Hier kann man noch nichts römisches entdecken, es sei den man kann Straßennamen richtig deuten. Den gleich neben dem Haashaus beginnt der „Graben“, eine Einkaufsstrasse mit edlen Geschäften. Diese Strasse ist nichts anderes als der ehemalige Graben des Legionslagers! Die Römer neigten ja dazu, vor ihren Stützpunkten große Spitzgräben als Annäherungshindernisse zu bauen.
Nun, für mich war der Graben kein Hindernis sondern mehr eine Orientierungslinie. Wenn man ihm entlang geht, müsste man doch an die Stelle des ehemaligen großen Tores des Lagers kommen? Und richtig, in der Höhe vom Kaufhaus Meinl öffnete sich die Häuserfront und ich konnte nach rechts in das ehemalige Legionslager „hineingehen“. Das nebenstehende Foto wurde von mir durch dieses nicht mehr vorhandene Lagertor hinaus geschossen und zeigt das Tor der Hofburg.
Jetzt war es an der Zeit rüber zur Feuerwehrzentrale am Hof zu gehen. Dort ist nämlich schon die erste römische Spezialität zu sehen. Im Keller des Feuerwehrhauses sind in einem einzelnen Raum Teile des ehemaligen römischen Abwasserkanals freigelegt worden. Der Raum ist sehr klein, aber er ist trotzdem einen Ausflug wert. Man muss nämlich dazu an der Torwache des Feuerwehrhauses vorbei über eine Treppe in den Keller steigen und befindet sich dann plötzlich in einem Gang wo es von Klimarohren, Wasserohren, Werkzeug und sonstigem Material nur so wimmelt. Unterwegs kommt man auch noch an einer Tür vorbei, durch deren Glas man auf die einsatzbereiten Tanklöschfahrzeuge der Feuerwehr gucken kann.
Im Raum selbst sitzt dann ein gemütlicher Wiener und reicht einem für 1,80 Euro eine Eintrittskarte. Der Raum ist schnell überblickt, am meisten hat mich ein römischer Kanaldeckel fasziniert. Er war aus Stein in Form einer Rosette gefertigt. Wer den heben wollte, musste wohl bärenstark sein. Außerdem konnte ich noch einen riesigen Dachziegel sehen, auf dem deutlich der Stempel der produzierenen Legion aufgedrückt worden war.
Nachdem ich beim Zurückgehen beinahe in ein paar vorbeilaufende Feuerwehrmänner geprallt wäre, machte ich mich auf dem Weg zum hohen Markt. Dort sind im Keller eines Cafes ein paar Mauer- und Straßenreste der römischen Kasernen zu sehen.
Dort angekommen wurde ich von einem noch gemütlicheren Wiener begrüßt, der mir mit dem üblichen Wiener Schmäh weitere 1,80 Euro abknöpfte. Nach einem sehr informativen Gespräch über die Neuigkeiten in der Wiener Grabungsszene war ich dann auch noch um 30 Euro ärmer und einem Buch reicher, das ausführlich über die römische Geschichte in Wien berichtet. Den Folder um 6 Euro blätterte ich durch, kaufte ihn aber nicht. Ich halte ihn für nicht empfehlenswert.
In diesem Museum waren die Ausstellungsstücke schon größer, aber nach 15 Minuten war alles gesehen. Abschließend sei erwähnt, das laut dem gemütlichen Wiener darüber nachgedacht wird, unter dem Hohen Markt weiter zu graben, um die Therme und das römisches Militärkrankenhaus freizulegen.
Ich wollte jetzt aber nichts mehr römisches hören, sondern lieber was italienisches essen. Ich ging also rüber zur Pizzeria Roma und genehmigte mir eine Spaghetti Carbonara. Auf dem Haus, indem sich die Pizzeria befand, war übrigens ein römisches Tor abgebildet, das sich ganz hier in der Nähe mal befunden haben musste.
Frisch gestärkt ging es nun weiter zur Cannabae. So nannte man in römischen Zeiten die Lagervorstädte, die sich bald nach Gründung der militärischen Stützpunkte überall bildeten. In Wien gibt es noch Reste davon am Michaelerplatz. Allerdings sind sie nicht so gut von späteren Bauwerken zu unterscheiden. Ich musste schon sehr genau nach der Beschreibung der einzelnen Mauerreste Ausschau halten.
Damit waren die Außenbesichtigungen des römischen Wien abgeschlossen und ich eilte ins Historische Museum der Stadt Wien. Die Römischen Fundstücke sind zwar dort nur marginal, aber der Vollständigkeit wollte ich sie mir doch ansehen. So waren Fundstücke ausgestellt, aus denen die Historiker ableiten konnten, das in Vindobona seinerzeit die römischen Einheiten Legio XIV und die Ala I Britannica stationiert waren. Auch ein Teil der Säulenhalle der Via Principalis war zu sehen.
Um meinen Besuch abzurunden fuhr ich nun wieder zurück in die Innenstadt und löste eine Eintrittskarte im Ephesos Museum. Nun, dieses Museum hat jetzt rein gar nichts mehr mit dem römischen Wien zu tun, aber es gab sehr interessante römische Reste von der griechischen Stadt Ephesos zu sehen.
Da ich mir zum Ziel gesetzt habe, alle römischen Spuren im Laufe der Zeit aufzusuchen und zu fotografieren war der Wienbesuch wichtig und informativ. Für den durchschnittlichen Touristen sind die ausgestellten Stücke vielleicht zu wenig. Ihm möchte ich eher empfehlen, zum im Osten von Wien gelegenen Carnuntum zu reisen, wo noch größere Teile der Hauptstadt der römischen Provinz Noricum und der beiden Amphitheater erhalten sind.
Stand: Januar 2003