Während eines Besuches im Stift Melk nutze ich nach dem Mittagessen die Gelegenheit, mich ein wenig im Walahfrid-Strabo-Paradiesgärtlein umzusehen. Der Namen dieses Gartens machte mich neugierig, den Walahfrid Strabo brachte in mir etwas zum Klingen.
Das Walahfrid-Strabo-Paradiesgärtlein von Stift Melk
Von Walahfrid Strabo erfuhr ich das erste Mal während einer Reise zu den UNESCO-Welterbestätten auf der Insel Reichenau. In einem Kloster auf dieser Insel wirkte er von 838 bis 848 als Abt. Als Erinnerung an seine Tätigkeit dienen dort rekonstruierte Gärten, die sich auf ein Gedicht von ihm beziehen. Diese Gartenanlagen wirken streng geordnet und klösterlich schlicht.
Ganz anders verhält es sich mit dem Paradiesgarten von Stift Melk. Dieser vermittelt in Vergleich zu jenem auf der Insel Reichenau einen geradezu üppigen Eindruck. Das zeigt sich schon beim Betreten. Mein Weg zu diesem Gärtchen führt mich durch einen dichten Laubengang, der an seinem Ende den Blick auf eine Art Kunstwerk inmitten von einer Vielzahl von verschiedenartig blühenden Pflanzen freigibt.
Das Gärtchen entstand im Rahmen der NÖ Landesausstellung „Die Suche nach dem verlorenen Paradies“. Wahrscheinlich hat sich von daher der Name Paradiesgärtlein etabliert. Persönlich finde ich vor allem den Blick nach oben in Richtung Stiftspark interessant. Die Büsche des Paradiesgartens verwachsen optisch mit den Bäumen des Stiftsparks zu einem einzigen Grün. So mag es auch im Paradies aussehen.
Ein Gedicht wird zum Bauplan für ein Paradies
Als Grundlage für die Gartengestaltung diente ein berühmtes Gedicht von Walahfrid Strabo. Dieses Werk trägt den sperrigen Namen Liber de cultura hortorum, in vielen Texten aber auch nur kurz Hortulus genannt. Es handelt sich dabei um ein Lehrgedicht, das über die rechte Pflege der Gärten erzählt.
In Melk ging man einen interessanten Weg, Literatur und Pflanzen zusammenzuführen. Der Garten ist in der Form eines regelmäßigen langgestreckten Trapezes angelegt. Ich betrete die Anlage an der schmäleren Stirnseite und schlendere langsam entlang von zwei Reihen von jeweils zwölf Beeten. Die Summe aller Beete entspricht genau jenen 24 Heilpflanzen, die im Gedicht von Walahfrid Strabo beschrieben sind.
Wie die augenblickliche Gestalterin des Gartens Andreas Edelbacher im Rahmen einer Führung erzählt, geht sie aber weit über die zwei Dutzend genannten Pflanzen hinaus. Sie ergänzte diese um eine Vielzahl von ähnlichen Pflanzen, um so die Blütezeit über einen längeren Zeitraum im Jahr zu verteilen. Das freut die Besucher und zweifellos auch die Bienen.
Zu jedem Beet finde ich als Betrachter ein kleines Zitat aus dem Werk von Walahfrid Strabo. Seine Zeilen werden dabei sowohl im lateinischen Original als auch in einer deutschen Übersetzung angeführt. Eine schöne Idee, um etwas von der Sprachmelodie dieses Schriftstückes aus dem 9. Jahrhundert zu vermitteln.
Die Heilpflanzen sind aber nicht nur zum Ansehen da. Viele von Ihnen finden sich als Inhaltsstoffe in Produkten des Klosterladens wieder. Zum Beispiel in den dort angebotenen Kräuterlikören.
Fazit
Das Walahfrid-Strabo-Paradiesgärtlein ist eine interessante Umsetzung des Hortulus. Statt klösterlicher Strenge herrscht hier paradiesische Fülle vor. Sollte für den Besuch des großen Stiftspark nur wenig Zeit bleiben, würde ich mit diesem Paradiesgarten beginnen.
Quellen / Weiterführende Links
Offenlegung
Fotos und Texte entstanden im Rahmen einer Pressereise des Vereins Klösterreich. Die inhaltliche Gestaltung blieb zur Gänze mir überlassen.