Es war im Jahre 12 v. Chr., als sich römische Truppen anschickten. Ihr ehrgeiziger Plan scheiterte in den Wäldern Westfalens. Die Reste dieser untergegangen Legionen sind im LWL-Römermuseum in Haltern am See ausgestellt.
LWL-Römermuseum in Haltern am See
Obwohl es schon 2000 Jahre her ist, seit die Römer das erste Mal nach Haltern marschierten, ist der Anmarsch noch immer etwas schwierig. Zu meinem großen Bedauern gab es am Bahnhof keine Gepäckaufbewahrung, was zur Folge hatte, dass ich mit vollem Reisegepäck zum Römermuseum marschieren musste.
Das römische Museum in Haltern liegt an einen historischen Platz, nämlich genau an einem Teil der Umrandung des ehemaligen römischen Feldlagers. Vor dem Museum kann man noch die Spitzgräben sehen, die früher die Mauern des Lagers geschützt hatten. Es sind zwar nicht mehr die originalen Gräben, aber sie wurden genau an derselben Stelle detailgetreu angebracht. Die eigenartigen Glasdächer auf dem Museum sollen die Zelte der Legionäre darstellen, die sich hier hinter der Palisade befunden hatten.
Genau so ein Zelt kann man dann im Museum selbst betrachten. Es ist gänzlich aus Leder gefertigt und wurde anlässlich einer Wanderung angefertigt, wo mehrere deutsche Hobbyhistoriker den Marschweg der augusteischen Legionen im Jahre 15 v. Chr. von Norditalien quer über die österreichischen Alpen nach Augsburg nachgingen. Persönlich bemerkenswert fand ich ja den Umstand, dass in einer Ecke des ansonsten sehr authentischen Zeltes ein TV Gerät stand. War der Komfort der römischen Truppe etwa doch größer, als ich es bis jetzt angenommen hatte?
Nun, in puncto Komfort wurde ich bald eines besseren belehrt. Mitten im Museum steht für den interessierten Besucher römisches Marschgepäck bereit, wo jeder eingeladen ist, es mal auf seinen Schultern zu schwingen. Nahezu 19 kg baumelten bald darauf an einer langen Stange getragen in Form von Trinkbecher, Kochkessel und Ledertasche an mir herab. Ich kann hiermit niederschreiben, dieses römische Wanderzeug war nicht nur verdammt schwer, es hatte auch in keinster Weise den Komfort eines Samsonite Koffers.
Weil ich gerade vom Schreiben sprach. In Haltern liegen auch Rekonstruktionen von jenen Wachstäfelchen auf, die die alten Römer dazu verwendeten einfache Notizen zu machen. Auch diese Täfelchen durfte der neugierige Besucher einmal benutzen, was ich natürlich sofort versuchte. Das Schreiben ist allerdings nicht gar so einfach und das „Ausradieren“ mit Hilfe der Schabfläche am anderen Ende des Schreibgriffels geht auch nicht so locker von der Hand wie wir es aus der Schule gewohnt waren.
Ein eigenartiges Gefühl verspürte ich vor jener Vitrine, in der etwas über die Hygiene der Römer erzählt wurde. Die Römer waren ja medizinisch und hygienisch schon sehr weit vorangeschritten, was bei den großen Städten und bei den großen Truppenansammlungen in den engen Legionslagern wohl auch notwendig war. Trotzdem scheinen sie etwas hart mit sich umgegangen zu sein. Zumindest hatte ich diesen Eindruck, als ich erstmals diese Schabeisen (Stringilis) sah, mit denen sie sich den Schmutz aber auch die Öle von ihren Körpern schabten.
Gleich neben dem Marschgepäck gibt es ein Teil zu sehen, das ich persönlich für besonders interessant halte. Es handelt sich dabei um die Rekonstruktion einer Groma, das ist jenes Vermessungsgerät, mit dem die Römer die schnurgeraden Straßen und auch ihre Legionslager auszumessen pflegten.
Wie so ein Legionslager seinerzeit ausgesehen haben mag, das kann man in Haltern einmal wirklich sehr anschaulich sehen. In einer großen Vitrine ist so ein Lager maßstabsgetreu nachgebildet und mit wohl tausenden kleinen Figürchen belebt. Die Gestalt des Modells ist den Erkenntnissen aus den Ausgrabungen nachempfunden. Dort wo man sich nicht schlüssig war oder wo noch keine Grabungsbefunde vorlagen, ließ man den Platz einfach frei und stellte mit einigen Figürchen dar, dass hier gerade etwas gebaut werden solle. Was das genau wäre, ließ man einfach offen. Dadurch wirkte das Modell ungleich authentischer und lebendiger als alle anderen Modelle, die ich bis jetzt gesehen hatte. In einer Vitrine wurde sehr detailliert dargestellt, wie die Kasernengebäude im Inneren ausgesehen haben.
Was die Ausgrabungen betraf, konnte ich an einigen Schaustücken endlich etwas über die Geheimnisse der dabei angewandten Methoden erfahren. Es wurden Abgüsse von dem Grabungsgelände gezeigt, wo man deutlich sehen konnte, wie der Boden an den entsprechenden Stellen verfärbt war. Tatsächlich ist der Boden auch noch nach 2000 Jahre nach Anlegen dieser Spitzgräben an der entsprechenden Stelle „anders“ als in den Nachbarregionen und verrät so seine frühere Bedeutung. Unter Archäologen gilt ja bekanntlich das geflügelte Wort, es gibt nichts Haltbareres als ein Loch. Auch die Art und Weise wie man den Baubeginn eines Lagers mit Hilfe der Dendrochronologie bestimmt, wurde anschaulich erklärt. Dabei werden die Jahresringe des aufgefundenen Holzes untersucht und mit den der Forschung schon bekannten Jahresringkombinationen aus den vergangenen Jahrtausenden verglichen.
Ein anderes interessantes Teil aus Holz entdeckte ich gleich nebenan. Es war ein echt antikes Weinfass. Leider war es nicht mehr mit diesem köstlichen Nass gefüllt, das die Römer ganz offensichtlich gleich fässerweise auf ihren Märschen mit sich geführt hatten.
Man darf ja nicht vergessen, dass Haltern im Grunde genommen keine Stadt war, wo die Römer sich für Jahrhunderte niedergelassen hatten. Es war lediglich ein großes Legionslager, das im Laufe der Offensive gegen die rechtsrheinischen Gebiete aufgebaut wurde. Nach der verhängnisvollen Schlacht im Jahre 9 n. Chr., in der gleich drei ganze römische Legionen im Kampf gegen Arminius und seinen Streitern den Tod fanden, wurde das Lager wieder aufgelassen.
Der genaue Ort dieser auch als Varus Schlacht oder Schlacht im Teutoburger Wald bekannten Kampfhandlung scheint noch immer nicht geklärt zu sein. Ein Nebenraum des Museums ist dem jüngsten Stand bei Ausgrabungen im Wiehengebirge gewidmet. Dort wurde bei Kalkriese sehr viel Material gefunden, dass auf eine fürchterliche Schlacht hinweist. Auch das Alter der Münzen weißt darauf hin, dass hier viele Menschen im ersten Jahrzehnt unserer Zeitrechnung den Tod gefunden haben mussten. Besonders interessant in diesem Raum ist eine eiserne Maske, die wohl einer der dort gefallenen römischen Reiter getragen hatte.
Während meines Besuches wurde ich übrigens mehrmals von einem Dutzend junger germanischer Römer überrannt, die in ihren antiken Gewändern herumtobten und ganz offensichtlich an einem sehr interessanten Spiel teilnahmen. Das Museum bietet mehrere für Kinder aber auch Erwachsene interessante Führungen an und ist auch für die Abhaltung von Kindergeburtstagen eingerichtet.
Haltern, Juni 2001