Nach einer längeren Renovierung hat das Wiener Josephinum Ende September 2022 seine medizinhistorische Sammlung wieder für seine Besucher geöffnet. In dem 1785 errichteten Gebäude treffe ich auf eine faszinierende Welt aus Wachsmodellen.
Das Medizinhistorische Museum Wien
Der klassizistische Bau des Josephinums begrüßt mich im strahlenden Weiß, wie es nur neu renovierte Gebäude tun können. Ein plätschernder Brunnen mit der Göttin Hygieia als Brunnenfigur sorgt für etwas Leichtigkeit im Hof des großen Bauwerks. Dieses beherbergt heute ein Institut der Medizinischen Universität Wien, das sich mit der Geschichte der Medizin beschäftigt.
Sein medizinhistorisches Museum verteilt sich auf mehrere Räume im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss. Die Atmosphäre ist dem alten Gebäude entsprechend. Die Ausstellungsbereiche reihen sich entlang eines Ganges, der durch seinen Steinboden das Flair eines Gebäudes der vergangenen Monarchie ausstrahlt. Die Ausstellungsräume sind leicht abgedunkelt und wirken durch vergitterte Regale wie Archive.
Die Wachsmodelle im 1. Obergeschoss
Die gezeigten Instrumente und Wachsmodelle sind allerdings vom Feinsten. Die Wachsmodelle im ersten Obergeschoss beeindrucken durch ihre schiere Anzahl. Die Wirkung auf den Geist und für manche wohl auch auf den Magen ist dementsprechend. Die mehr als 200 Jahre alten Modelle sind allerdings nicht beschriftet. Wer die Milz nicht von der Leber unterscheiden kann, wird es auch nach dieser Ausstellung nicht können.
Etwas informativer ist jener Teil, der die Anatomie von schwangeren Frauen zeigt. Mit Hilfe der Modelle verstehe ich nun besser, wie seinerzeit eine Zangengeburt vonstattenging. Auch die Lage des Ungeborenen im Mutterleib zeigen mir diese Wachsmodelle sehr anschaulich. Die Erklärungen zur erstaunlichen Geschichte dieser Modelle erfahre ich erst im letzten Raum am Ende des Flures.
Tipp: Wer sich zuerst diese Erklärungen durchliest, sieht die Modelle mit anderen Augen. Auch die Besonderheit der Vitrinen ist dann klarer. So entdecke ich auf dem Rückweg kleine Fächer unter den Vitrinen, die früher die Beschreibungen zu den Modellen beherbergten. Das mundgeblasene Glas der Schaukästen stammt sogar aus Venedig. Jetzt wird mir auch klar, warum überall Schilder davor warnen, diese wertvollen Vitrinen zu berühren.
Das Josephinum als Gebäude
Was mir an der Ausstellung gut gefällt: Ich erfahre viel über die Reformbemühungen auf dem Gebiet der Medizin von Joseph II. In seinem Auftrag entstand nicht nur das Josephinum, sondern auch eine große Krankenhausanlage in Wien.
Ein Papiermodell zeigt mir die Größe dieser Anlage, deren Gebäude noch heute einen stark frequentierten Teil von Wien bilden. Im Modell ist auch sehr gut der Narrenturm zu sehen, der zurzeit eine Außenstelle des Naturhistorischen Museums beheimatet.
Bemerkenswert finde ich das Alter des Modells. Es wirkt sehr historisch, es entstand aber erst im Jahre 1940. Tatsächlich finde ich ein Detail, was auf die Entstehungszeit des Modells weisen könnte. Auf einem der Dächer ist ein rotes Kreuz auf weißem Grund aufgemalt. Das kannte ich bisher nur als Markierung von Krankenhäusern in Kriegszeiten.
Die Instrumente der Medizin im Erdgeschoss
Im Erdgeschoss erfahre ich mehr über die Geschichte der Medizin und über die verschiedenen Instrumente. Wer sich alles durchlesen möchte, sollte mehrere Stunden Zeit mitbringen. Unter den ausgestellten Instrumenten oder besprochenen Verfahren lassen sich kleine Laden öffnen. Darin finde ich die Biografien jener MedizinerInnen, die für das Gezeigte relevant sind.
Dass sich Ärzte auch gerne außerhalb des medizinischen Bereichs in der Gesellschaft betätigten, zeigt mir der letzte Raum am Ende des langen Ganges. Die Mediziner luden zu Gesprächsrunden ein oder sammelten Kunst. Einer von ihnen engagierte sich sogar als Pilot in der noch jungen Luftfahrt.
In diesem Teil der Ausstellung sehe ich viele Besucher vor einer Vitrine mit einer Feile stehen. Das Werkzeug hat eine traurige Geschichte. Mit dieser Feile wurde Kaiserin Elisabeth „Sisi“ von Österreich in Genf ermordet. Ich finde aber das kleine Ausstellungsstück gleich daneben bemerkenswerter. Es ist der Mageninhalt eines an Hunger Verstorbenen. In seinem Magen wurde Stroh gefunden. Das macht mich nachdenklicher als die kleine Feile.
Sie ist schon im Museum: die Maske
Auf der anderen Seite des Traktes schlendere ich mit den Ausstellungstücken langsam in die Gegenwart. Nach eher schaurigen Nachbildungen von Kriegsverletzungen stehe ich plötzlich vor jenem Utensil, das uns während der Pandemie so lange begleitet hatte: die Maske. Auch sie hat inzwischen ihren Platz in dieser Ausstellung zur Medizingeschichte gefunden.
Fazit
Das Josephinum ermöglichte mir nicht nur einen Blick in die Anatomie von uns Menschen. Vielmehr bekam ich eine Ahnung davon, wie vielgestaltig die Medizin ist und wie viele Menschen an ihrer Weiterentwicklung beteiligt sind und waren. Darüber hinaus erfuhr ich auch einiges über jene Reformen, die Joseph II. auf dem Gebiet der Medizin vorantrieb.
Quellen / Weiterführende Links
- Link Offizielle Webseite des Josephinums mit Öffnungszeiten