Das moderne Kunstmuseum in Stuttgart besitzt eine Sammlung von Graf Silvi della Valle di Casanova. Zwar ist dieser nicht mit dem legendären Schürzenjäger aus dem 18. Jh. identisch, aber der Name zieht trotzdem. Für mich hat es gereicht, mir auch dieses Museum ansehen zu wollen.
Das Kunstmuseum in Stuttgart
Das Museum befindet sich am kleinen Schlossplatz in Stuttgart. Laut Selbstdarstellung bietet das Haus nicht nur eine Dauerausstellung, sondern möchte auch mit regelmäßigen Wechselausstellungen Kunstgenuss vermitteln. Bei der Dauerausstellung gibt es neben der Moderne auch einiges vom schwäbischen Impressionismus zu sehen.
Als ich mir dem Gebäude näherte, erinnerte es mich spontan an das Kunsthaus in Bregenz. Bei näherer Betrachtung unterschied es sich doch. So ist den Ausstellungsräumen eine Glasfassade vorgesetzt. Entlang dieser führt eine Treppe in die einzelnen Etagen. Wer nach viel zeitgenössischer Kunst Abwechslung sucht, geht ins Treppenhaus und guckt auf das Königliche Schloss am Schlossplatz runter.
Das Fotografenpaar Bernd und Hilla Becher
Bei der modernen Kunst bin ich ja immer neugierig, ob ein Künstler mich mit einer Idee überraschen kann. Und tatsächlich gab es gleich einige zu sehen. Zum Beispiel eine Bilderserie von dem Fotografenpaar Bernd und Hilla Becher.
Das Ehepaar hatte jahrelang systematisch Industrieobjekte fotografiert. Und je sechs Objekte zu einer Gruppe zusammen gefasst. Das Besondere daran: Es handelt sich um Bauwerke gleicher Funktion. Sechs Fördertürme, sechs Wassertürme, sechs Kühltürme. Das Faszinierende ist die Ähnlichkeit der Objekte, trotz ihrer weit auseinander liegenden Standorte. Die Form folgt der Funktion, diesen Satz konnte ich anhand der Fotos gut nachvollziehen.
A Single Script by Xu Bing
Ein anderer interessanter Ansatz war das Projekt „A Single Script“ des Künstlers Xu Bing. Dieser sammelte Piktogramme und fertigte ein Wörterbuch an. Zu jedem Bildzeichen ermittelte er entsprechend der Bedeutung ein passendes englisches Wort.
Ein Computer lud mich ein, einfache Sätze zu schreiben. Diese wurden anschließend anhand des Wörterbuchs in Symbole übersetzt. Waren meine Gedanken simpel genug, ergab das eine formenreiche Aneinanderreihung von Piktogrammen.
Weitere bleibende Eindrücke
Bei den Gemälden fand ich die Wachssonne von Michael Buthe recht originell. Der Künstler vermengte Wachs mit Goldbronze und trug diese Mischung als Sonnenscheibe auf. Eine weitere witzige Idee mit Wachs hatte Wolfgang Laib, der mich durch einen langen schmalen Gang gehen ließ, der mit Bienenwachsplatten ausgekleidet war. Abgesehen vom betörenden Duft des Bienenwachses wirkten die Platten auf mich wie ein Gang durch eine geheimnisvolle Pyramide.
Aber es gab auch viele klassische Werke. Zum Beispiel einiges vom schwäbischen Impressionismus, zu dem der Sammler Casanova viel beigetragen hatte. Erwähnenswert finde ich die Werke von Otto Dix, wo mich sein Triptychon „Großstadt“ aus den Jahren 1927/1928 beeindruckte. Die Art und Weise wie hier die Armut und die Verschwendung der Roaring Twenties auf die Leinwand gebannt wurden, brachte mich zum Nachdenken.
Bei den ausgestellten Installationen hatte ich ein wenig Probleme bzgl. deren Werkhöhe, obwohl es da auch das eine oder andere spannende Werk zu sehen gab. Dieter Roth zum Beispiel ließ Gemüse in Glas einfassen und nun lebt (?) das Kunstwerk vor sich hin. Eigentlich eine gute Idee, aber in meine Wohnung würde ich es nicht aufhängen. Das muss sich vielleicht der Besitzer auch gedacht haben, der es scheinbar lieber als Dauerleihgabe im Kunstmuseum untergebracht sieht.
Bei einem Werk von Manfred Rohr musste ich ein wenig schmunzeln. Seine Computerinstallation war mit einem Blatt Papier überklebt, auf dem sinngemäß „Außer Betrieb“ stand. Nun, war hier was defekt oder war das jetzt Teil der Installation? Fragen über Fragen.
Wechselausstellung „Die Einsamkeit der Zeichen“
Die gerade laufende Wechselausstellung über Piktogramme („Die Einsamkeit der Zeichen“) verlief zunächst enttäuschend für mich. Auf den ersten zwei Geschossen wurden lediglich Werke gezeigt, die mich kaum oder nur entfernt an Piktogramme erinnerten. Spannend wurde es dann aber im obersten Geschoss. Hier wurden Künstler gezeigt, die mit Piktogrammen Zeichentrickfilme gestaltet hatten. Diese waren in Summe recht einfach, doch mit viel Humor gewürzt (z. B. Lars Anthenius „The Man without Qualities“).
Recht clever fand ich auch eine Lösung von Thomas Bayrle. Dieser hatte Modelle von Straßen und Straßenkreuzungen mit Pappe und Spielzeugautos angefertigt die in ihrer Gesamtheit aus der Ferne betrachtet die Symbole von Währungen erkennen ließen. Eine Autobahnkreuzung in Form eines $ zum Beispiel. Oder Alighiero Boetti präsentierte eine Stickerei, in der ich zunächst nichts erkannte. Dann eine Spinne, dann einen Menschen und zum Schluss entpuppte sich das Werk als eine Sammlung von Abbildungen.
Fazit
Insgesamt also doch ein erfreulicher Abend mit vielen guten Ideen. Und dazu die bemerkenswerte Architektur des Museums mit seinem Blick auf das Neue Schloss. Ich stelle mir vor, dass ein abendlicher Besuch im Kunstmuseum Stuttgart gerade während des kommenden Weihnachtsmarkts auf dem Schlossplatz sehr besinnlich ist.