Im August 2008 besuche ich in Most (Brüx) eine „verrückte“ Kirche. Diese wurde 1975 um 841 Meter verschoben. Der Grund dafür war ein Kohletagebau, der an der alten Stelle der gotischen Hallenkirche entstand.
Mariä Himmelfahrt in Most
Wir erreichen die Kirche am frühen Vormittag. Hell und freundlich steht sie im gleißenden Sonnenlicht auf einem großen, ebenen Platz. Von den ehemaligen Kohlengruben ist zunächst nichts zu sehen.
Wir betreten die dreischiffige im spätgotischen Stil errichtete Hallenkirche. Ich bin sofort von dem filigranen Kreuzrippengewölbe fasziniert. Ein vielfarbiges Renaissance-Relief mit biblischen Szenen zieht sich entlang der Wände und lässt die kühne Architektur der Gotik verspielter wirken.
All diese Elemente machen einen großen Eindruck auf mich und ich freue mich darüber, dass diese die Verschiebung der Kirche überdauerten. Aber wie kam es zur Verlegung der Kirche Mariä Himmelfahrt in Most?
Warum verschiebt man Kirchen?
Der Energiehunger nach dem 2. Weltkrieg führte zur Entscheidung, die Stadt Most – diese war früher auch unter dem deutschen Namen Brüx bekannt – zur Gänze an einen anderen Platz zu verlegen. An ihrer Stelle sollte ein Tagebau für die Gewinnung von Kohle entstehen. Die Kirche wurde als so wertvoll angesehen, dass sie nicht abgerissen werden sollte. Stattdessen beschlossen die Behörden, sie an einem neuen Ort aufzubauen.
Wobei man dabei etwas eigenwillig vorging. Das Kirchenschiff wurde um 90 Grad gedreht, der Westturm wurde zu einem Nordturm. Da Kirchen eigentlich geostet sind, war das ein ungewöhnlicher Schritt. Aber das ist jetzt ein religiöser Gesichtspunkt. Aus technischer Sicht empfinde ich die Methode der Verschiebung ebenfalls bemerkenswert.
Die Verschiebung der Kirche
Als Besucher von zahlreichen Freilichtmuseen hätte ich erwartet, dass die Kirche Stein für Stein abgebaut und anschließend wieder aufgebaut wird. Die zuständigen Stellen wählten aber eine andere Methode. Sie verschoben die Kirche in einem Stück. Ermöglicht wurde das durch eine Vielzahl von Rollen, auf die das Bauwerk gehoben wurde.
Eine mutige Idee, deren genauen Vorgang sich nicht mit wenigen Worten erklären lässt. Ich studiere daher fasziniert die ausgestellten Fotos, die den Transport der Kirche zeigen. Jemand aus meiner Gruppe macht mich darauf aufmerksam, dass auf den Fotografien kein Turm zu sehen ist. Tatsächlich, er fehlt!
Der Turm
Ich nutze die noch verbleibende Zeit, um auf den aktuell vorhandenen Kirchturm zu steigen. Es stellt sich für mich schnell heraus: Dieser wurde wohl nicht mitverschoben.
Die breiten Treppen und das ganze Ambiente erinnern mich an das Flair eines Treppenhauses in einem Gemeindebau. Offensichtlich wurde der Turm nach der Verschiebung mit einfachen Mitteln neu aufgebaut. Der Blick von seiner Galerie ist dennoch sehenswert.
So kann ich die vom Tagebau gestaltete Landschaft besser erkennen. In der Ferne entdecke ich die Burg Hněvín auf einem sich deutlich abzeichnenden Kegelberg. Der Turm der Burg wirkt wie aus einem Bilderbuch herausgeschnitten. Das liegt wohl daran, dass die heutigen Mauern dieser Anlage erst im Rahmen der Burgenromantik erbaut wurden.
Doch schon längst zieht ein anderes Detail meine Aufmerksamkeit auf sich. Von dem Kirchturm der Kirche Mariä Himmelfahrt in Most habe ich einen tollen Blick auf die Eisenbahnen, die die Stadt durchqueren. Wie auf einer Modelleisenbahn ziehen die tschechischen Triebwagen in ihrem typischen beige-roten Farbton an mir vorbei.
Fazit
Es lohnt sich, einen Abstecher zu dieser Kirche zu machen. Im gotischen Kirchenschiff sind bemerkenswerte Reliefs an den Wänden zu sehen. Der Aufstieg zur Turmspitze lohnt sich wegen des freien Blicks auf die vom Tagebau geprägten Landschaft.
Stand: August 2008
Quellen / Weiterführende Links
- Link Beschreibung der Kirche Mariä Himmelfahrt (Most) auf Wikipedia