Eine Meldung auf der Webseite des ORF schreckte mich heute auf. Das Puppen- und Spielzeugmuseum in Wien soll mit Ende des Monats geschlossen werden. Ich beschloss, mir das Museum anzusehen, solange es noch die Möglichkeit dazu gibt.
Puppen- und Spielzeugmuseum Wien
Seine Lage im Schulhof im 1. Bezirk Wiens ermittelte ich über die Webseite des Museums, das seit 1989 als privat finanzierte Einrichtung seine Pforten geöffnet hatte. Nach kurzem Marsch durch die Innenstadt erreichte ich einen kleinen Platz, wo das Puppenmuseum und das Uhrenmuseum einträchtig Mauer an Mauer nebeneinanderstanden.
Das Puppen- und Spielzeugmuseum selbst befand sich im ersten Obergeschoss eines barocken Bürgerhauses, das aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammte und wie ein kleines Juwel in der warmen Nachmittagssonne leuchtete.
Auf Steinplatten durchs Museum
Dafür war dann die Treppe rauf zum Museum umso kühler und dunkler. Kein moderner Eingang erschloss mir den Weg zum Museum, sondern eine steinalte Treppe ließ mich den Weg nach oben winden. Oben angekommen, bediente mich der Inhaber persönlich, der mir eine Eintrittskarte um 4,75 Euro verkaufte.
Nun, das Museum war für sich schon sehenswert, denn es befand sich in einer alten Wohnung, wo der Fußboden noch aus Steinplatten bestand und die hohen Räume mit Kronleuchter erhellt wurden. Darüber hinaus erstrahlten die Zimmerdecken im Stuck vergangener Zeiten.
Auch die rund 600 Puppen und Spielzeuge in den blitzblank geputzten Vitrinen verfehlten ihre Wirkung nicht. Fast nichts an den vier Räumen schien modern zu sein, ich trat quasi in das Kinderzimmer meiner Urgroßeltern ein.
Puppen, Eisenbahnen und Trauerbären
Und die gezeigten Werke hatten es in sich. So gab es nackte Puppen, wo ich deren Bauweise sehr gut erkennen konnte. Zum Beispiel wie eine Kugellagerpuppe aufgebaut ist. Auch jene Konstruktion, die im Zeitalter vor dem Mikrochip und Lautsprecher die „Mama“ Laute produzierte, war in einer Vitrine zu sehen.
Dazu kamen noch Exemplare von alten Märklin Eisenbahnen und von Holzspielzeug aus dem Erzgebirge, mit dem ein ganzes Dorf aufgebaut war. Bei den Teddybären gab es eine kleine Überraschung für mich: Ich entdeckte einen Trauerbären ganz in Schwarz, der aus Anlass des Untergangs der Titanic im Jahre 1912 in England angeboten wurde.
Puppen als Motiv auf Postkarten
Eine interessante Ergänzung zu den ausgestellten Spielzeugen bildeten Postkarten, wo ich Kinder mit Puppen sehen konnte. Oder Fotos aus dem Fotoatelier, wo die Sprösslinge ebenfalls mit Puppen posierten.
Auf einem der Fotos soll sogar Otto von Habsburg zu sehen gewesen sein. Seine Identifizierung fiel mir nicht leicht, weil seinerzeit auch die Jungs Mädchenkleider trugen. Ich gehe mal davon aus, er war das „Mädchen“ mit der Spielzeugkanone in der Hand.
Puppen für den Nachwuchssoldaten
Militärisches Spielzeug gab es erstaunlich wenig zu sehen, was vielleicht an den Sammelneigungen des Inhabers des Puppen- und Spielzeugmuseums liegen mag. Aber auch hier entdeckte ich merkwürdige Dinge für mich.
Ein kleiner Soldat hatte gleich zwei Gesichter, auf der einen Seite stellte er wohl einen türkischen Soldaten dar, die andere Seite des Kopfes mag wohl einen deutschen oder österreichischen Soldaten darstellen. Ein richtiger Janus unter den Puppen.
Aber ein wenig später entdeckte ich Puppenköpfe, die je nach Drehung gar drei verschiedene Gesichter darstellen konnten. Man könnte sarkastisch anmerken, das waren Puppen mit Wendehals.
Puppen aus der Biedermeierzeit
Zum Teil waren die aus den Jahren 1750 bis 1930 stammenden Puppen auch nach zeitlichen Gesichtspunkten sortiert. Hier war es für mich interessant zu sehen, dass zum Beispiel Puppen aus der Biedermeierzeit so gänzlich anders wirkten als die kleinen Kunstwerke aus anderen Epochen.
Aber natürlich spielten auch die verwendeten Materialen beim Aussehen eine Rolle. Besonders einprägsam fiel mir dieser Gesichtspunkt bei einer Muschelkalkpuppe auf.
Für jede Puppe eine Küche
Wo es Puppen gibt, gibt es natürlich auch Puppenküchen, von denen ich auch einige sehen konnte. Dazu noch Klassenzimmer für Puppen und ganze Puppenhäuser, eingerichtet mit allem was ein Puppenhaushalt so braucht, inklusive Kerzen mit angebranntem Docht!
Anschließend blätterte ich in Katalogen mit Produktangaben von anno dazu mal. Hier konnte ich erstmals erkennen, was nun so ein Löffel oder eine Gabel für einen Puppenhaushalt in der damaligen Währung gekostet hätte.
Aber solche Katalogblätter offenbarten neben dem Preis noch etwas anderes: Schon vor 100 Jahren gab es schreiendes Marketing und die angebotene Puppe war natürlich nicht nur fein, nein sie war die feinste und noch dazu ausgezeichnet auf der jüngsten Weltausstellung.
Fazit
Das Puppen- und Spielzeugmuseum Wien verdeutlichte mir, wie variantenreich die Kinderspielzeuge in der Vergangenheit angeboten wurde. Das Museum mit seiner eindrucksvollen Atmosphäre in der Belle Etage eines alten Wiener Hauses kann durchaus mit den Spielzeugmuseen in München oder Nürnberg mithalten.
Nachtrag vom 17.01.2007: Leider wurde das Museum inzwischen aufgelöst und sein Inhalt versteigert.