Sankt Marxer Friedhof

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Sankt Marxer Friedhof in Wien

Der Sankt Marxer Friedhof wurde 1874 aufgelassen aber nie eingeebnet. Als Ergebnis finden seine Besucher eine Vielzahl von Grabsteinen, die während der Biedermeierzeit entstanden. Ein Spaziergang entführt in die Welt österreichischer Titel.

Sankt Marxer Friedhof in Wien

Ich betrete den Friedhof durch ein kleines Tor. Ein breiter Fahrweg führt direkt zu einem großen Kreuz, das in der Ferne aufragt. Links und rechts enden die Wege im Nirgendwo. Von vielen Gräbern sind nur noch die Steine vorhanden, deren Verwitterung merklich voranschreitet.

Die Aufschriften sind lehrreich, sowohl für Typographen als auch für Sammler historischer Berufstitel. Einige Schriften wirken wie aufgepinselt, obwohl sie eingemeißelt sind. Die Titel reichen von Stechviehhändler bis zum Hafen-Capitain. Viele Aufschriften geben Einblick in alte Schreibweisen.

Der Charme eines aufgelassenen Friedhofs

Der Charme des Parks besteht in seiner Verwilderung. Die Wege zwischen den Grabreihen sind zwar gepflegt, die Steine selbst versinken in einem Gewirr aus Bäumen und Sträuchern. Die Wege bestehen weder aus Asphalt noch aus Kies, eher trifft die Beschreibung hartgetretenes Gras zu.

Ist es auf diesem Friedhof ruhig und friedlich? Nicht wirklich. Ausgerechnet die stark befahrene Süd-Ost-Tangente grenzt direkt an die Anlage. Die Autos brausen auf der erhöhten Fahrbahn knapp an den Grabmonumenten entlang der Friedhofsmauer vorbei. In regelmäßigen Abständen stimmt die Schnellbahn mit ihrem elektrischen Brummen in die Geräuschkulisse ein.

Und doch mutet alles wie der geheime Garten aus einer Kindergeschichte an. Es sind die Grabsteine, die den Friedhof zu einem Ort ohne Zeit machen. Es kommen keine neuen Steine mehr hinzu, es verschwindet aber auch nichts wegen unbezahlter Grabgebühren. Blumenschmuck und brennende Kerzen fehlen. Der Ort wirkt in all dem Trubel vergessen.

Grab von Wolfgang Amadeus Mozart

Ich begebe mich auf die Suche nach dem Grab von Mozart. Seine genaue Lage ist nicht bekannt. Das Denkmal für den großen Komponisten steht heute an jener Stelle, wo sein Schachtgrab zumindest vermutet wird. Ich bin überrascht. Das Dickicht öffnet sich hier zu einer Art Parkfläche, die samt Mozarts Ehrenmal so auch an der Wiener Ringstraße stehen könnte.

Weitere berühmte Gräber in Sank Marx

Grabstein für Basilio Calafati

Ich studiere eine Tafel, die weit über 100 Gräber bekannter Personen anzeigt. Die Skizze wirkt übersichtlich, tatsächlich erfordert die anschließende Suche Beharrlichkeit und Spürsinn. Die Steine sind oft bis zur Unkenntlichkeit verwittert, die Grabreihen nicht nummeriert.

Das Grab von Josef Madersperger hingegen ist auffällig gut gepflegt. Angeblich kümmern sich Wiener Schneiderinnen um die letzte Ruhestätte des Erfinders der Nähmaschine. An den griechischen Freiheitskämpfer Alexander Ypsilantis erinnert nur noch eine Gedenktafel. Seine Gebeine ruhen schon längst in Griechenland.

Eher zufällig stoße ich auf den Grabstein für Basilio Calafati. Die Figur dieses Zauberkünstlers und Schaustellers ist untrennbar mit dem Wiener Wurstelprater verbunden. Sein Grab am Sankt Marxer Friedhof ist heute leer. Er hat sich quasi weggezaubert.

Tatsächlich teilte er das Schicksal mit vielen anderen prominenten Verstorbenen. Mit der Gründung des Wiener Zentralfriedhofes wurden zahlreiche Berühmtheiten in die Gräber des neuen Friedhofes umgebettet. Manchmal ist der Ausdruck „letzte Ruhestätte“ eben nur eine oberflächliche Redensart.

Es gibt noch Leben auf dem Friedhof

Unweit von Mozarts Denkmal entdecke ich Bienenstöcke. Hier herrscht emsiges Treiben, wenn auch nicht alle Bienenvölker gleich fleißig zu sein scheinen. Welche Blüten gibt es auf dem Sankt Marxer Friedhof? Bekannt ist der Ort für den wilden Flieder, der im April und Mai für schöne Farben rund um den Grabsteinen sorgt.

Auf meinem Rückweg macht mich ein Rascheln im Laub hellhörig. Ein Feldhamster beäugt mich aus sicherer Entfernung. Ich nähere mich ihm in kleinen Schritten. Er mustert mich neugierig, was aber auf Gegenseitigkeit beruht. Da ich offensichtlich nichts zum Fressen mitbringe, springt er schließlich von dannen.

Fazit

Trotz seiner Lage neben der Wiener Süd-Ost-Tangente ist der Sankt Marxer Friedhof einen Besuch wert. Die Inschriften auf den Grabsteinen geben einen Einblick in die Titelwelt eines vergangenen Österreichs und seine verwilderte Lage verwandelt jeden Spaziergänger in einen Entdecker.

Quellen / Weiterführende Links

  • Link Beschreibung des Friedhofs auf Wikipedia