Kleine Läden mit wohlklingenden Namen gibt es nicht nur in der Wiener Innenstadt. Ein Beispiel dafür ist die Silberschmiede Vaugoin, deren Name auf französische Wurzeln verweist. Zu finden ist sie samt Werkstätte im VII. Wiener Gemeindebezirk „Neubau“.
Die Silberschmiede Vaugoin in der Zieglergasse
Der Bezirk Neubau ist ja eigentlich für eine besonders hohe Dichte an jungen und hippen Läden und Dienstleistungen bekannt. Das es auch alteingesessenen Betriebe gibt, zeigt die Silberschmiede Vaugoin in der Zieglergasse.
Auf dem alten Ladenschild steht noch Jarosinski und Vaugoin. Eine Erinnerung an eine Partnerschaft, die es schon lange nicht mehr gibt, sich aber in historischen Aufschriften noch immer wiederfindet. Manche Dinge sind zwar nicht in Stein gemeißelt, dafür aber mit viel Patina in Hinterglasschrift verewigt.
Die Historie des Unternehmens liest sich spannend. Mitte des 19. Jahrhunderts ging der französischstämmige Silberschmied Carl Vaugoin auf die Walz und ließ sich schließlich in Wien für immer nieder. Das geschah 1847. Seit 1905 feilen und hämmern seine Nachfolger in der kleinen Hinterhofwerkstatt in der Zieglergasse. Inzwischen führt Jean Paul Vaugoin den Betrieb in der 6. Generation.
Handgeschmiedet und dennoch serienmäßig
Handarbeit wird ja meistens mit Maßarbeit und Einzelanfertigungen assoziiert. Bei Silberbesteck ist es nicht immer so, wie wir aus den Ausführungen von J. P. Vaugoin erfahren. Das Besteck wird in einem Stanzsatz kalt geschmiedet. Die Anfertigung eines solchen Stanzsatzes ist sehr kostenintensiv und deshalb nur für größere Serien interessant. Von diesen Besteckserien hat aber der Betrieb eine ganze Menge. Rund 200 Varianten im Stil von Art déco über Jugendstil bis Wiener Werkstätte hält Monsieur Vaugoin in seinen Musterkassetten für potenzielle Besteckkäufer bereit.
Wir sehen nur eine Auswahl davon. Die kurze Präsentation hat es aber in sich. Wir lernen den Unterschied zwischen spanischer und französischer Etikette an der Tafel. Warum heißt es „Den Löffel abgeben“ oder wieso wurde zur Zeit von Martin Luther noch gerne mit der Hand gegessen? Auch auf die Rolle von Königin Caterina de’ Medici bei der Einführung von Besteck am französischen Hof geht unser Gastgeber ein. Immer schön dargestellt mit einem weiteren Stück aus einem seiner Musterkästchen.
Gemeinsam mit den anderen bin ich erstaunt, für wie viele verschiedene Anwendungsfälle es eigenes Besteck gibt. Bei den zahlreichen Varianten zum Schälen von Orangen und Grapefruits ziehe ich meine linke Augenbraue erstmals skeptisch hoch, beim silbernen Hendlhaxenhalter fällt sie mir verblüfft wieder runter. Ja, für jeden Zweck Silberbesteck haben zu wollen, geht zweifellos ins Geld.
Nicht immer will ein Kunde eine ganze Serie kaufen, manchmal fehlt nur ein bestimmtes Stück oder das Besteck benötigt etwas Service. Hierfür ist Vaugoin eine gute Adresse. Dank seiner vollzählig vorhandener Stanzsätze können auch fehlende Teile nachproduziert werden. Oder vielleicht auch verdoppelt werden, wenn mit gestiegenem Wohlstand auch die geladenen Gäste zahlreicher werden.
Außergewöhnliches vom Donnerbrunnen bis zur Saliera
Aber auch auf besondere Einzelstücke ist die Familie Vaugoin stolz. So fertigte sie anlässlich der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages ein Modell des Donnerbrunnens an. Dieses wurde anschließend der Sowjetunion als Geschenk überreicht. Für die englische Königin Elizabeth II. fertigte das Unternehmen eine Kopie der Saliera an und bewies damit sein Geschick auch für besonders komplexes Tafelgeschirr. Vaugoin geht aber auch mit der Zeit und erschafft völlig Neues. In Kooperationen mit zeitgenössischen Designern wie Thomas Feichtner, Sebastian Menschhorn, Stephanie Hornig und Bodo Sperlein entstehen immer wieder neue Kreationen.
Rundgang durch die Werkstätte eines Silberschmieds
Nach dem theoretischen Teil folgt der praktische. Wir gehen durch die Werkstätte, die sich im Hinterhaus erstreckt und ihre Fenster zum Hof des Vorstadthauses öffnet. Der Kontrast ist bemerkenswert. Zumindest aus der Sicht eines silbernen Löffels. Während dieser in Zeiten der Nutzung auf einer feinen Stoffserviette ruht, erlebt er in der Werkstätte wohl eine Art Gegenwelt.
Hier riecht es nach Öl und Feilstaub. Die schweren Ambosse ruhen auf großen Holzblöcken, die so unförmig sind, wie sie die Natur geschaffen hat. Besonders beeindruckend finde ich die mächtige Presse, die noch über Transmissionsriemen angetrieben wird. Und dennoch presst sie das Silberblech mit mehreren Tonnen Druck in die gewünschte Form. Statt filigraner Leichtigkeit herrscht hier pure Kraft.
Von der Stätte des Hephaistos hinaus zum Licht
Nach dem Rundgang durch die kraftvolle Werkstätte wird es wieder Zeit für etwas einfachere Eindrücke. Wir treten auf den kleinen Hof hinaus, der gerade im Licht der Mittagssonne liegt. Kletterpflanzen in verschiedenen Grünschattierungen ranken sich an den Wänden nach oben und mildern dadurch die Wärme des doch gerade sehr heißen Tages.
Laut Jean Paul Vaugoin wurde der Hof schon für Veranstaltungen genutzt, die in der Werkstätte und im kleinen Museum im Obergeschoss ihren Anfang nahmen. Ich denke, so eine Führung durch Werkstätte und Sortiment kann auch für jene Menschen spannend sein, die ansonsten nicht viel mit Tafelbesteck zu tun haben.
Fazit
Der Besuch der Silberschmiede brachte mir Erkenntnisse über die Systematik von Silberbesteck und auch über das Formenreichtum von Löffel und Gabel. Besonders spannend empfand ich die Möglichkeit, Geschäft und Werkstätte als Einheit besichtigen zu können. Der Typus der Werkstätte im Hinterhof eines städtischen Wohnhauses verschwindet ja immer mehr. Es war interessant, so eine Anlage noch in Betrieb zu erleben.
Quellen / Weiterführende Links
- Link Offizielle Webseite der Silberschmiede Vaugoin
Offenlegung
Fotos und Texte entstanden im Rahmen einer Pressereise des Hotels „Das Tigra“. Die inhaltliche Gestaltung blieb zur Gänze mir überlassen.