Nachdem ich mir in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim einen schon länger gehegten Wunsch erfüllte und mir die Ausstellung „Pharao siegt immer“ angesehen hatte, wollte ich den gelungenen Nachmittag noch mit dem Besuch der ebenfalls im Hause befindlichen Fotoausstellung „Zu den Ufern des Nil“ würzen.
Ausstellung (29.05.2005) – (11.09.2005)
Diese im Rahmen der Internationalen Fototage vom Forum Internationale Photographie präsentierte Ausstellung zeigte Fotos aus der Sammlung von Wilhelm Reiss, die den Betrachter vom Alexandria des 19. Jahrhunderts entlang des Nils nach Abu Simbel führten. Fotos, die mir nicht nur die Stätten in ihrem Aussehen vor mehr als 120 Jahren zeigten, sondern die mich auch durch ihre sehr frühe Technologie beeindruckten.
Dazu betrat ich im Obergeschoss des Museums den Ausstellungsraum durch einen dicken Vorhang, der die kostbaren Fotos klimatisch und lichttechnisch von der Außenwelt abschirmte. Denn so alte Fotos bedurften wohl auch besonderer Pflege.
So stand ich nun in ein leicht abgedunkelten Raum, der den Fotos mit seinem braunen Holzboden und seiner schwarzen Decke eine klassisch schöne Präsentationsumgebung bot. Eine Harmonie zwischen Ausstellungsobjekt und Ausstellungsraum, wie es besser nicht sein könnte.
Zunächst aber noch etwas Theorie. Eine Schautafel erklärte mir, wie es nach den Napoleonischen Feldzügen in Ägypten zu einem verstärkten Interesse der Europäer an diesem Land gekommen war.
Während Napoleons Reisen noch militärischen Zwecken dienten – und er die Forscher und Gelehrten quasi als Zusatzgepäck mit sich führte – reisten später zahlreiche Privatgelehrte an, um sich die Besonderheiten dieses Landes zu erschließen.
Dabei dokumentierten sie das Gesehene sowohl in Tagebuchaufzeichnungen, als auch in Skizzen und bald auch in Fotos. Denn damals fotografierte man noch nicht digital und sendete noch nicht das Ergebnis per e-mail an die Redaktionen der Reisejournale.
Stattdessen führte man ein ganzes Chemielabor mit sich und zusätzlich noch primitive Vorrichtungen, um mitten in der Wüste – quasi unter sengenden Sonne – eine Dunkelkammer aufbauen zu können.
Wie trickreich das erledigt wurde, konnte ich an einigen Fotos und Skizzen erkennen. Besonders gut gefiel mit die Variante, wo der Einwickler einen kleinen Tisch vor sich stehen hatte, von dem eine lichtundurchlässige Plane über seinen Kopf gestreift wurde, die am Rücken mit Schnüren festgebunden war. Er steckte quasi mit dem Kopf im dunklen Zelt oder anders gesagt, er steckte bis über dem Hals in seiner Arbeit.
Oder man hob tiefe Gruben an Mauern aus und versuchte so im Schatten dieser Mauern die Platten zu entwickeln. Doch genug der Theorie. Beginnen wir die Reise zu den Ufern des Nil.
Die Fotos
Diese Reise war gut geführt. Landkarten deuteten mir in regelmäßigen Abständen, an welcher Stelle des Nils ich mich gerade befand. Über den Fotos zeigten mir Tafeln mit roten Schriftzügen die Namen der jeweils fotografierten Orte.
Darunter die gestochen scharf wirkenden Fotos in Sepiatönen, daneben eine Erklärung, was denn hier eigentlich genau abgebildet ist. Dazu wurden die bloßen Ortsbezeichnungen um Tagebuchaufzeichnungen von Reisenden ergänzt.
Gerade diese Mischung aus Fotos, aus Erklärungen und Tagebuchaufzeichnungen (nicht immer vom Fotografen selbst) machten für mich den Reiz der Ausstellung aus.
Über den Fotos konnte ich meine eigenen Eindrücke von diesen Bauten und Landschaften machen, über die Tagebucheinträge bekam ich einen Einblick, wie diese versunkenen Objekte vor rund 120 Jahren von den damals Reisenden empfunden wurden.
Von Alexandria bis Nubien
Aber jetzt geht’s wirklich los! Bei der Pompejussäule in Alexandria eröffnete ich meine Reise und gelangte bald darauf nach Kairo. Dem Kairo des 19. Jahrhunderts wohlgemerkt! Faszinierend ein Panoramabild der Stadt, wo ich die Details mit Hilfe einer ausgehängten Lupe genau studieren konnte.
Auch Exponate aus dem Museum von Bulak waren abgebildet, zwei Fotos zeigten mir die Mumien von Sethos I und Ramses II. Bemerkenswert für mich war die Erhabenheit der sterblichen Überreste, ganz Pharao eben. Oder wie es ein Tagebuchschreiber an dieser Stelle festhielt: ganz Grandseigneur. Ja, damals hatte man noch wohlgeformte Worte, um solche Wahrnehmungen auszudrücken.
Nun ging es raus aus der Stadt zum Pyramidenfeld von Gizeh. Hier konnte ich an einem Foto erkennen, wie die Touristen von damals mit Hilfe von Einheimischen die Pyramiden erklommen. Es sah schon komisch aus, zwei zogen den Gast, einer schob von unten nach. Den die Steine waren hoch und keinesfalls als Treppe gedacht.
Ich selbst stieg aber nicht hinauf, den das Schiff wartete schon, es ging weiter dem Nil hinauf nach Süden. Die nächsten Fotos führten mich in den Tempel von Karnak.
Bei einem angeschlagenen Gedicht von Rilke blieb ich stehen und betrachtete die Reste der Tempelanlagen, die damals noch so richtig wild in der Landschaft lagerten.
Über Luxor ging es weiter nach Theben West. Nun, das klang jetzt wie eine U-Bahn Station, tatsächlich aber sah ich Fotos des Heiligtums Medinet Habu.
Und weiter ging es zu wundervollen Aufnahmen vom Tal der Könige, 1875 noch nicht bekannt für den Fund von Tut-Anch-Amun durch Howard Carter. Weiter in Esna hatte ich die Möglichkeit die Kapitele des Chnum Tempels genau zu studieren. Gleich daneben in Edfu ruhte mein Blick für lange Zeit auf die Zeichnung der Heiligen Barke, fotografiert im Horus Tempel.
Im Gegensatz zu den Hochglanzfotos in den modernen Fotobänden über ägyptische Kunstdenkmäler wirken die in Sepia gehüllten Fotos geheimnisvoller, man hat fast den Eindruck, man steht als Entdecker selbst nach langer Zeit zum ersten Mal wieder vor diesen Heiligtümern.
Und schon ging es zum nächsten Heiligtum, dem Gebel el Silsila. Auch hier wirkten die noch nicht vom Sand und Gestrüpp der Zeit befreiten Anlagen wie gerade erst entdeckt, und von mir – dem Betrachter – aus der Dunkelheit der Vergessenheit befreit.
Ein paar Schritte weiter erreichte ich die Katarakte des Nil bei Assuan – 1875 noch ohne Stausee und Staumauer – und erfuhr im Begleittext so einiges über dem Verbleib der Tempel nach der Aufstauung des Stromes.
So wanderten die Anlagen von Philae auf die Insel Agikika. Tabod wurde gar in Madrid aufgebaut und Tafa findet sich heute im niederländischen Leiden wieder. Abu Simbel aber wurde zersägt und rund 70 Meter höher auf einem künstlichen Berg wieder aufgebaut. Schon interessant, was die Leidenschaft für antiken Denkmäler alles vermag.
Nun war ich fast am Ende meiner Reise angelangt. So befand ich mich bereits im tiefen Nubien, mehrere Fotos von Nubierfrauen bildeten den Abschluss des Rundgangs.
Der Unterschied zwischen Fotos und Stichen
In der nächsten Nische lagen noch einige Originale bereit, Fotoalben der Reisenden, Tagebuchblätter und dergleichen. Sie vermittelten mir einen kleinen Eindruck, wie früher Fotoalben gestaltet wurden. Statt Vater, Mutter, Kind und Hund wurden akribisch Landschaften dokumentiert und um Beschreibungen und Skizzen ergänzt.
Nachdenkenswert ein Gedanke, der mir hier vermittelt wurde. Alten Fotos vom Kiosk in Philae wurden alten Stichen vom selben Objekt gegenüber gestellt. Welche Darstellung erzeugt im Menschen die größere Emotion? Laut den Zeilen eines frühen Betrachters kann ein Foto nur abbilden, doch es bedürfe noch zusätzlich der Verarbeitung durch einen Künstler.
Nun, daran scheint etwas Wahres dran zu sein. Den selbst den alten Fotos gegenüber wirkte der Stich vom selben Objekt auf mich noch geheimnisvoller, weckte noch mehr die Lust nach persönlichem Erleben.
Auf dem Weg zum Ausgang streifte ich noch einige Fotos von Menschen aus diesen Zeiten. Diese wurden einzeln aber auch in Gruppen oder Familienverband fotografiert und boten in ihrer exotischen Kleidung natürlich auch einen großen Schaugenuss.
Besonders interessant fand ich dabei Studiofotos, denn schon damals ließ man sich in seiner besten Kleidung vor einer künstlichen Landschaft im Studio fotografieren. Ganz so wie wir es heute tun, wenn wir Firmungsfotos brauchen. Nur für das Foto gelächelt hat man im 19. Jahrhundert noch nicht.
Es war 18:00, das Museum schloss, ich eilte die Treppen zum Ausgang hinunter. Für mich endete ein interessanter Tag mit vielen neuen Eindrücken.
Fazit
Tolle Bilder von Ägypten hatte ich schon öfters gesehen. Die Fotoausstellung „Zu den Ufern des Nil“ führte mich aber entlang des gewaltigen Stroms von Alexandria bis Nubien und ergänzten das Visuelle um das Gedankliche früherer Reisende.
Ein tolles Konzept, ein tolles Erlebnis! Womit man aber klar kommen muss: Es sind Fotos, die einen geduldigen und sensiblen Betrachter benötigen, um ihre ganze Kraft und Schönheit zu offenbaren.
Quellen / Weiterführende Links
- Link Präsentation mehrerer Fotos im Rahmen der Ausstellung in München