Zur Schwäbischen Jungfrau (Wien)

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Zur Schwäbischen Jungfrau

Sie wirkt fast ein wenig aus der Zeit gefallen und nicht jedem fällt sie auf. Damit meine ich die Abbildung der „Schwäbischen Jungfrau“, die vom ersten Stock eines Textilgeschäfts auf den Wiener Graben blickt. Ich versuche, die Geschichte hinter dieser Abbildung zu erfahren.

Das Geschäft „Zur Schwäbischen Jungfrau“ am Wiener Graben

Eine interessante Sehaufgabe in Wien ist das Suchen nach ehemaligen Hoflieferanten. Diese belieferten bis 1918 den kaiserlichen Hof und trugen den Titel „Hoflieferant“ wie eine Auszeichnung. Viele davon hörten auf böhmische und ungarische Namen, was heute noch an den Charakter des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn erinnert. Etwas aus dem Rahmen fällt dabei ein früherer Hoflieferant mit dem eher deutsch klingenden Namen „Zur schwäbischen Jungfrau“.

Wie kam die Schwäbische Jungfrau nach Wien?

Zwischen dem späten 17. und Ende des 18. Jahrhunderts reisten viele hoffnungsvolle Auswanderer aus Schwaben die Donau hinab, um im südosteuropäischen Raum ihr Glück zu versuchen. Als Transportmittel nutzten sie einen speziellen Bootstyp, der seither unter dem Namen „Ulmer Schachtel“ bekannt ist. Einem dieser Reisenden gefiel es in Wien so gut, dass er hier seine Donaureise beendete.

Im Jahre 1720 eröffnete er sein Textilgeschäft in Wien. Es war seinen drei jungen Töchtern zu verdanken, dass der Laden bald unter den Namen „Zur Schwäbischen Jungfrau“ bekannt wurde. Die markanten Ladenschilder zu diesem Geschäft entstanden übrigens unter den Händen der Maler Johann Nepomuk Mayer und Johann Kupelwieser.

Das Sortiment der Schwäbischen Jungfrau

Innen wirkt das Geschäft ein wenig wie ein Puppenhaus. Ein alter Aufzug entführt uns von einem eher kleinen Empfangsraum zu den geräumigeren Ausstellungsräumen nach oben. Das Angebot an Stoffservietten, Kissenbezügen und Frotteehandtüchern ist angenehm groß. Die Schwäbische Jungfrau hebt sich wohltuend von jenen Läden im benachbarten Golden Quartier ab, wo sich gefühlt eine Handtasche und ein Schuhpaar eine ganze Regalwand teilen.

Puppe im Laden "Zur Schwäbischen Jungfrau"
Details wie diese Puppe verleihen dem Geschäft eine bezaubernde Note

Es ist früher Vormittag, die Anzahl der Kundinnen hält sich noch in Grenzen. Die ausgelegten Textilien dämpfen die Lautstärke der Beratungsgespräche. Einige Besucher scheinen konkrete Vorstellungen zu haben und fragen gezielt nach einer Stoffvariante oder einem Muster. Andere suchen Rat bei der Ergänzung vorhandener Materialien in der traditionell eingerichteten Wohnung der Großmutter.

Alles ist sehr zart gemustert und wirkt stoffbedingt eher weich. Stapeln von edler Bettwäsche wechseln sich mit Stößen von fein zusammengelegter Tischwäsche ab. Dazwischen warten Handtücher und Bademäntel auf ihren neuen Platz in einem gepflegten Badezimmer. Dezent aufgestellte Blumenarrangements ergänzen die Pflanzenvielfalt, die ich in den Stickereien auf den Tischtüchern entdecke. An der hohen Decke schwebende Modelle von Vögeln verleihen den Räumen zusätzliche Luftigkeit.

Persönliche Monogramme und Wäsche nach Maß

Markenzeichen des Geschäfts ist die Möglichkeit auch Maßanfertigungen zu bestellen. Haben wir einen Tisch in einer ungewöhnlichen Größe geerbt, wird die Schwäbische Jungfrau uns mit der passenden Tischdecke versorgen. Eine ebenfalls gern nachgefragte Dienstleistung ist das Sticken von Monogrammen in aller Art von Textilien. Für beides sorgt eine Gruppe von fünf Näherinnen in Wien, die das Gewünschte Wirklichkeit werden lassen. Die Wartezeit kann aber mehrere Monate betragen. Im Falle von geplanten Geburtstagsgeschenken empfiehlt sich eine frühe Anfrage.

Aber das Warten lohnt sich. Die gewünschte Wäsche hält oft für viele Jahrzehnte. Dafür sorgen sowohl gute Materialien als auch einige Raffinessen bei der Verarbeitung. Auf meine Nachfrage hin, erfahre ich, wie man „einen Faden zieht“ oder welche Vorteile Zwirnknöpfe gegenüber Knöpfen ohne Zwirnumhüllung haben. Diese Vorzüge haben natürlich ihre Preise. Die sich aber durch die lange Nutzungsdauer wieder relativieren.

Die Kunden der Schwäbischen Jungfrau

Hier ist eine gewisse Kontinuität erwähnenswert. Das österreichische Kaiserhaus gibt es seit 1918 nicht mehr. Diverse Adelshäuser und selbst so weit entfernte Monarchien wie jene in Malaysien kaufen aber dennoch immer wieder gerne ein. Auch die Tradition der Hochzeitsliste wird noch gepflegt und so manches Hochzeitspaar lässt sich hier inmitten von Bett- und Kissenbezügen über Form und Größe einer denkbaren Aussteuer beraten.

Die Eigentümerin des Geschäfts ist während unseres Besuches anwesend. Gemeinsam mit ihrem Sohn und Nachfolger Theo erzählt uns Hanni Vanicek interessante Anekdoten aus ihrer bisherigen Zeit in diesem Geschäft, in dem sie seit 1959 arbeitet. Einige Details kannte ich schon aus diesem Interview auf YouTube, einige weitere werde ich vielleicht in ihrem Buch entdecken: „Das Geschäft ist meine Bühne“ aus dem Amalthea Verlag.

Fazit

Mir gefällt der Umstand, dass es im Wiener Zentrum neben den relativ jungen Nobelmarken auch einen 300 Jahre alten Anbieter für so etwas scheinbar Triviales wie Tisch- und Bettwäsche gibt. Natürlich kauft nicht jeder Bettwäsche um viele Hunderte von Euro. Wer aber schon über einen Grundstock an feinen Textilien in seiner Wohnung verfügt, wird hier optimalen Rat und interessante Angebote für Erweiterungen finden.

Quellen / Weiterführende Links

  • Link Offizielle Webseite des Geschäfts mit Öffnungszeiten
  • Link Beschreibung des Geschäfts auf Wikipedia

Offenlegung

Fotos und Texte entstanden im Rahmen einer Pressereise des Hotels „Das Tigra“. Die inhaltliche Gestaltung blieb zur Gänze mir überlassen.